25 März 2018
Frühling – Zeit des Erwachens
Geschrieben von Stephan Engelhardt, Veröffentlicht in Wildkräuter, Ernährung
Wie schön, dass wir die Jahreszeiten haben und erleben dürfen. Die Erfahrung ist umso intensiver, ja häufiger wir uns in der Natur aufhalten und ihr Leben wahrnehmen. Im Winter zeigen sich die Laubbäume nackt in ihrer Essenz. Wenn wir uns auf sie ausrichten, sprechen sie mit uns. Sie tun das zu jeder Jahreszeit, doch in der Zeit der Dunkelheit ist die Verbindung mit ihnen leichter herzustellen. Der Schleier zwischen uns und ihnen ist dünner. Vielleicht, weil wir zu dieser Zeit offener sind, häufiger in unser Inneres schauen und die leisen Stimmen in uns hören. Viele Pflanzen ziehen sich im Winter zurück und bewahren ihre Kraft in ihren Wurzeln. Andere wachsen einfach weiter und blühen sogar unter Eis und Schnee. Sie sind kleiner als zu anderen Jahreszeiten und sehr energiegeladen.
Natürliches Verhalten vergessen
Auch wir haben uns in dieser Zeit vielleicht zurückgezogen, alles etwas langsamer gemacht und unsere Kräfte achtsamer eingesetzt. Die Natur zeigt uns wie das geht. In unserer oft so hektischen und stehst betriebsamen Zeit gibt es keine Jahreszeiten und es wird viel dafür getan unser natürliches Verhalten vergessen zu machen. Wenn die Sonne untergeht, im Dezember schon kurz nach 16 Uhr, und wir unsere Aktivitäten mit der einsetzenden Dämmerung verlangsamen oder einstellen sollten, machen wir unter Kunstlicht weiter. Wir stören und ignorieren unseren natürlichen Rhythmus. Das dann im Frühjahr viele Menschen unter Frühjahrsmüdigkeit leiden ist bei einem solchen Verhalten klar. Die permanente Überforderung von Körper und Geist bleibt nicht folgenlos. Wenn eine Pflanze im Winter versuchen würde so weiterzumachen wie zu anderen Jahreszeiten, wäre sie im Frühling erschöpft und kann nicht gedeihen. Die Signale der Natur sind sehr klar und wir können sie als hilfreiche Botschaften annehmen und danach handeln. Das wir uns Inseln der Ruhe und Einkehr schaffen ist sehr wichtig, zu allen Zeiten.
Angenehme "Reizüberflutung"
Jetzt steht der Frühling vor der Tür, die Zeit des Lichtes und Erwachens. Eine Zeit in der man, hat man offene Sinne, die Pflanzen wachsen hören kann. Besonders in den Wäldern hört man die ersten Knospen der Sträucher und Bäume mit leisen Knacken und Knistern wie sie erwachen und sich öffnen. Eine Zeit in der die Reize überflutet werden vom Leben das uns umgibt, das wir selber sind. Eine Reizüberflutung die man gerne zulässt. Wenn die ersten strahlenden Blüten des Huflattichs da sind, springt das Herz zusammen mit dem ganzen Menschen in die Höhe. Die Huflattichblüten sind eine wichtige erste Nahrungsquelle für Insekten und wir können sie, genauso wie die später wachsenden Blätter, bei Erkrankungen der oberen Atemwege anwenden. Dazu werden die frischen oder getrockneten Huflattichblüten und Blätter mit 70-80 C° warmen Wasser übergossen und dreimal täglich getrunken. Zusätzlich können z.B. Spitzwegerich, Lungenkraut und Königskerzenblüten hinzugegeben werden.
Viele kleine Pflanzengeschöpfe recken und strecken sich zum Licht. Der Giersch der sich wie aus einem Kokon herausrollt und seine winzigen Blätter entfaltet, die jungen Brennnesseltriebe, die den ganzen Winter geschützt unter einem Dach aus verdorrten Blättern oder Gras da waren und eine sehr kraftvolle Nahrungsquelle sind, der Storchenschnabel der vielleicht schon seine ersten rosa Blüten zeigt und viele weitere Wildkräuter. Sie zeigen uns das Wunder des Frühlings, das Wunder des Erwachens. Nehmen wir es wahr und sind ein Teil davon.
Wildkräuter-Fülle
Wir können ebenfalls aus unserem Kokon schlüpfen, uns öffnen und das Licht in uns strömen lassen. Wenn wir Wildkräuter essen, besonders die die wir selber gepflückt haben, entfalten sie ihre Frühlingsenergie in bester Weise in uns. Nach meinem Empfinden sind Wildkräuter die lebendigste und kraftvollste Nahrung die wir zu uns nehmen können.
Während eines Jahresausbildungstages zur Kräuterfrau, zum Kräutermann im April 2017 haben wir siebenundfünfzig unterschiedliche Wildkräuter gesammelt und es waren noch viel mehr da. Wir sind von einer großen Fülle umgeben:
1 |
Sauerampfer |
31 |
Bärlauch |
2 |
Knoblauchrauke |
32 |
weiße Taubnessel |
3 |
Mittlerer Wegerich |
33 |
Huflattich |
4 |
Spitzwegerich |
34 |
Kratzdistel |
5 |
Baldrian |
35 |
Himbeerblätter |
6 |
Tellerkraut / Postelein |
36 |
Ferkelkraut |
7 |
Breitwegerich |
37 |
Feldsalat |
8 |
Labkraut |
38 |
Wiesenschaumkraut |
9 |
stinkender Storchenschnabel |
39 |
Waldschaumkraut |
10 |
Große Sternmiere |
40 |
Fichtenspitzen |
11 |
Goldnessel |
41 |
Erdbeer-Blätter |
12 |
Ziest |
42 |
Beinwell |
13 |
Wiesenbärenklau |
43 |
rundblättriger Storchenschnabel |
14 |
Pimpinelle / kleiner Wiesenknopf |
44 |
Hecken / Taumel Kälberkropf |
15 |
Giersch |
45 |
Fünffingerkraut |
16 |
Johanniskraut |
46 |
Gänsefingerkraut |
17 |
Genfer Günsel |
47 |
Dost |
18 |
Schafgarbe |
48 |
Goldrute (Triebe) |
19 |
Gänseblümchen |
49 |
Holunder |
20 |
Schnittlauch |
50 |
Kerbel |
21 |
Hornklee |
51 |
Zypressen Wolfsmilch (giftig) |
22 |
Brennnessel |
52 |
Beifuß (Triebe) |
23 |
Löwenzahn |
53 |
Traubenhyazinthe (giftig) |
24 |
Gundermann |
54 |
Schlüsselblume / Primel |
25 |
Linden-Blätter |
55 |
Wald-Geißblatt (giftig) |
26 |
Kirschbaum-Blätter |
56 |
Hahnenfuß (giftig) |
27 |
Zwetschgen-Blätter |
57 |
persischer Ehrenpreis |
28 |
stumpfblättriger Ampfer |
||
29 |
Scharbockskraut |
||
30 |
Wicke |
Es ist schön so viele unterschiedliche Wildkräuter zu kennen und zu sammeln, doch schon einige wenige bereichern unsere Ernährung wesentlich mit ihrer Lebendigkeit und reichhaltigen Inhaltsstoffen.
Gesunde Bitterstoffe
Ein Inhaltsstoff, der nicht immer Gefallen findet, sind die Bitterstoffe. Bitterstoffe sind keine bestimmte Stoffgruppe, sondern zeichnen sich dadurch aus, dass sie bitter schmecken. Sie fördern und regulieren die Verdauung, vermindern die Lust auf Süßes, sind gut bei Übelkeit, wirken blutreinigend und sind sehr hilfreich bei Parasiten und rheumatischen Erkrankungen. Der bittere Geschmack stimuliert die Magensäfte und die Gallenblase. Die Bauchspeicheldrüse und Leber werden in ihrer Arbeit angeregt. Menschen die eine besondere Abneigung gegen Bitterstoffe haben, benötigen sie für ihre Gesundheit ganz besonders. Das sagen sogar wissenschaftlichen Studien. Natürlich sind Bitterstoffe für jeden jederzeit gut. Besonders bitterstoffhaltige Pflanzen sind z.B. Wermut, Enzian, Löwenzahn, Schafgarbe, Günsel, Mariendistel, Engelwurz, wilder Hopfen, Baldrian, Wegwarte, Ringelblume und Salbei. In den meisten Wildkräutern sind Bitterstoffe enthalten, deshalb ist es gut einfach das komplette Wildkräuterangebot auf den heimischen Wiesen und den Wäldern in die tägliche Ernährung zu integrieren.
Kultursalate wie z.B. der Chicorée, Endivien oder Radicchio enthalten durch Züchtungen leider immer weniger Bitterstoffe. In einem Geschäft konnte ich kultivierten Löwenzahn versuchen. Seine Bitterstoffe waren kaum noch zu schmecken. Auch Obst wird durch Züchtungen immer süßer. Bevorzuge das säuerlich schmeckende Obst wie die meist alten Apfelsorten, z.B. Boskoop, Berlepsch, Grafensteiner und Ontario und Zitrusfrüchte wie z.B. saure Grapefruits und Orangen.
Reinigen und Heilen mit Bärlauch
Die Frühlingszeit, und besonders der April, ist auch die Zeit des Bärlauchs. Seine frischen Blätter sind bestens zur Reinigung und Heilung unseres Körpers geeignet. Der Schweizer Naturarzt und Kräuterpfarrer Johann Künzle (geb. 1857, gest. 1945) lobt den Bärlauch mit folgenden Worten:
„Er reinigt den ganzen Leib, treibt kranke, verstockte Stoffe aus, macht gesundes Blut, vertreibt und tötet giftige Stoffe. Ewig kränkelnde Leute, solche mit Flechten und Aißen (Geschwüre, Warzen), Mehlgesichter, Skrofulöse (Halsdrüsengeschwulst) und Rheumatische sollten den Bärlauch verehren wie Gold. Kein Kraut der Erde ist so wirksam zur Reinigung von Magen, Gedärmen und Blut. Die jungen Leute würden aufblühen wie Rosenspaliere und aufgehen wie ein Tannenzapfen an der Sonne“.
Der Bärlauch findet in der Heilkunde vielfältige Anwendungen. Eingesetzt wird er bei Atemwegserkrankungen, zur Stoffwechsel Anregung, Rheuma, Appetitlosigkeit, Blähungen, Durchfall, Würmer, Arteriosklerose (Arterienverkalkung) und Bluthochdruck. Er senkt den Cholesterinspiegel und wird zur Ausleitung von Schwermetallen im Kombination mit Koriander und Chlorella-Algen (nach Dr. Klinghardt) verwendet. Maria Treben weist u.a. auf seine starke blutreinigende Wirkung hin, besonders bei chronisch unreiner Haut.
Achtsam sammeln und erkennen
Sammele den Bärlauch wie jede Pflanze achtsam und dankbar und erfreue Dich als gesunder Mensch an seiner Wirkung und seinem guten Geschmack. Bitte sammle so, dass danach alles genauso schön aussieht wie vorher. Bedenke das in den Bärlauchfeldern auch das giftige Maiglöckchen und der Aronstab stehen können. Wenn Du den Bärlauch liebevoll pflückst, wirst Du die beiden erkennen und Dich auch an ihnen erfreuen. Giftige Pflanzen tragen dazu bei, dass unsere Aufmerksamkeit bei Sammeln ganz bei unserem Tun ist. Auch die Blüten des Bärlauchs sind sehr schmackhaft. Pflücke jedoch nur wenige von ihnen, damit der Bärlauch Samen bilden kann und auch im nächsten Jahr wieder gedeiht.
Als ich während meiner Ernährungsumstellung vor ca. 17 Jahren begonnen habe Wildkräuter zu essen, durfte ich erfahren wie kraftvoll sie sind. Nach einer Feier am Vortag mit ungünstiger Nahrung, hatte ich starke Vergiftungsreaktionen. Mein Körper fühlte sich sehr schwer an und dem Magen ging es schlecht. Mit dem Gedanken meinem Körper zu helfen ging ich auf eine Wiese und aß viele Wildkräuter. Zunächst fühlte sich das sehr gut an, doch dann wurde mir übel. Die schlechte Nahrung des Vortages verließ meinen Magen auf dem kürzesten Weg. Danach ging es mir schnell wieder gut. Mein Körper wurde gereinigt und die Wildkräuter haben einen guten Dienst geleistet.
Gerade am Anfang einer Ernährungsumstellung ist es empfehlenswert mit langsamen Schritten voranzugehen. Zu viel kraftvolle und lebendige Nahrung, die noch ungewohnt ist, überfordert den Körper und den Geist. Wenn die Entgiftung zu schnell erfolgt, kann das schädlich für die Organe sein.
Die natürlichste Nahrung
Warum sind Wildkräuter so wirkungsvoll und geben uns das was wir benötigen? Sie gehören zu der natürlichsten Nahrung die uns zur Verfügung steht. Wenn sie in ihrer gewohnten Umgebung wachsen und vor dem Essen nicht verarbeitet werden, können sie ihre Ursprünglichkeit bewahren. Möglicherweise erinnern sie uns, wenn wir sie betrachten oder zu uns nehmen, an unseren eigenen Ursprung und an unsere Verbindung zu ihnen und zur Natur. Wenn nur ihre messbaren Inhaltsstoffe berücksichtig werden, ist nicht erklärbar weshalb z.B. ein kleiner Brennnesseltrieb so intensiv wirkt und eine pulverisierte Brennnessel, so wie sie als Superfood verkauft wird, das noch nicht einmal ansatzweise kann. Ich empfinde beim Test solcher Produkte ihre Leblosigkeit. Führe deinem Körper nichts zu was ihm Energie nimmt und ermüdet. Je stärker sich die Nahrungsmittel von ihrem Ursprung entfernt haben, und besonders die industriell hergestellten, desto energieärmer und liebloser sind sie.
Eine Seminarteilnehmerin teilte mir einmal mit, dass sie die Kraft der Wildkräuter nicht spürt obwohl sie sich doch schon so lange gesund ernährt. Auch wenn die Kraft der Wildkräuter noch nicht erfahrbar ist, sie wirken trotzdem in bester Weise. Wenn man auf dem Weg zu einer heilsamen Lebensweise bei den Ernährungsthemen stehenbleibt, kann vieles ins Stocken geraten und gesundheitliche Verbesserungen verschwinden ggf. wieder.
Stress kann auf den Magen schlagen kann, das wissen viele aus eigener Erfahrung. Es ist ein deutlicher Hinweis, dass unser geistiger Zustand eine unmittelbare Wirkung auf die Körperfunktionen hat. Der Lärm und das viele Gerede in unserem Verstand wird als normal angesehen und nimmt uns komplett ein. In unserer lauten und hektischen Zeit ist es wichtig Ruhe und Stille zu finden, dann sind direkte und ungefilterte Erfahrungen möglich. Genauso wie Natur im Frühling erwacht, können auch wir erwachen.
Der Winter mit seiner Dunkelheit ist eine gute Zeit der Innenschau und des Innehaltens. Diese Möglichkeit sollten wir uns zu allen Jahreszeiten bewahren. Das Aufsuchen der täglichen Insel der Ruhe ist sehr wichtig. Absichtslose Meditationen sind ein möglicher Weg die Stille und die leisen Signale des Körpers zu hören. Sie führen zur einzigen Zeit die da ist, zum Jetzt und wir können die Kraft der Gegenwart erfahren. Die Lebenskraft von natürlicher Nahrung, den Wildkräutern oder dem selbst gepflückten Apfel, wird dann mehr und mehr spürbar.
Das tägliche Essen sollte ein bewusstes Ritual sein. Vor dem ersten Bissen können wir unsere Nahrung betrachten und ihren Geruch wahrnehmen, fragen woher sie kommt, unter welchen Umständen sie entstanden ist, dankbar sein das sie da ist und sie segnen. Wenn wir sie achtsam kauen, können wir sie spüren und ihre vielen Geschmacksnuancen schmecken. Der Körper wird so auf die Nahrung die er erhält bestens vorbereitet und kann sie optimal verwerten.
Wie immer wird auch das Essen beim nächsten NaturSchule Tagesseminar am So. d. 08. April 2018 mit dem Gong der Klangschale beginnen, um dann in der Stille achtsam zu essen. Infos findest du unter www.naturschule.net
Kommentare (1)
Frank Mann
Liebe Grüße aus Berlin - Frank
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