07 Juli 2019
Geschrieben von Stephan Engelhardt, Veröffentlicht in Wildkräuter, Ernährung
Lange Zeit habe ich dem Schachtelhalm nur wenig Beachtung geschenkt. Das direkte Essen der Wildkräuter, ohne jegliche Weiterverarbeitung, ist mir am liebsten. Das ist beim Schachtelhalm kein wirklicher Genuss, auch wenn man nur die jungen Triebe isst. In dem Moment, wenn sich eine Pflanze aus bestimmten Gründen plötzlich wieder bei einem meldet, sieht man sie ständig und kommt nicht umhin sich mit ihr zu Beschäftigen. Das ist ein Teil der Kommunikation mit den Pflanzen, die außerhalb des Verstandes stattfindet. Warum hat der Ackerschachtelhalm sich bei mir gemeldet? Vielleicht weil seine besonderen Inhaltsstoffe und deren Wirkung für Menschen in meinem Umfeld oder für mich wichtig sind. Pflanzen kommen nicht grundlos zu einem.
Schachtelhalmgewächse, gehören zur botanischen Familie der Farne und wuchsen schon vor ca. 400 Millionen Jahren. Damals waren sie vermutlich bis zu 30 Meter hoch und bildeten die ersten Wälder der Nordhalbkugel. Wenn man den Schachtelhalm, der je nach Art jetzt noch bis zu 2m hoch wird, aufmerksam betrachtet, kann man erahnen das er einmal ein mächtiger Baum war. Einen außergewöhnlichen paläobotanischen (Wissenschaft der fossilen Pflanzen) Fund haben Forscher aus Deutschland gemacht. Sie fanden im Jahr 2016 eine 298 Millionen alte versteinerte Wurzel eines riesigen Schachtelhalms (Calamites gigas) im Thüringer Wald. Die Versteinerung hat einen Durchmesser von 70-80cm. Welche Informationen trägt der Schachtelhalm als lebendes Fossil wohl in sich? Werden wir bei der Berührung oder beim Verzehr mit seinem uralten „Wissen“ verbunden. Der Schachtelhalm ist älter als die Dinosaurier, die ihn als wichtige Nahrung verwendet haben. Forscher der Universität Zürich haben festgestellt, dass der Schachtelhalm mehr Energie liefert, als die meisten heute verwendeten Futterpflanzen.
Die genaue Zahl der Schachtelhalmarten ist umstritten. Man geht von 15-20 Arten aus. Er wächst auf allen Kontinenten, außer Australien. Hauptverbreitungsgebiete sind Europa, Asien und Nordamerika. In unserer Region findet man vor allem den Sumpfschachtelhalm (Equisetum palustre) und den Ackerschachtelhalm (Equisetum arvense). Der Schachtelhalm entwickelt keine Blüten. Er vermehrt sich über Sporen, die in Ährensprossen heranreifen, und über unterirdische Rhizome (Wurzelstock). Die Sporen werden durch den Wind verbreitet, sodass sich neue Pflanzen überall in der Umgebung ansiedeln. Die Vermehrung über Rhizome erfolgt durch Ausläufer, die der Schachtelhalm bis zu zwei Meter unter der Erdoberfläche austreibt. Der Schachtelhalm hat somit zwei sehr effektive Möglichkeiten sich zu vermehren. Dort wo er einmal ist, bleibt er. Im Frühjahr wächst eine blassbeige bis braune Sporenähre, die wie ein schlanker Pilz aussieht. Er ist eine Zeigerpflanze für hohe Grundwasserstände und Staunässe. Häufig wird der Ackerschachtelhalm auf Äckern angetroffen deren Böden stark verdichtet sind und ein schlechtes Bodenleben haben. Die extensive Landwirtschaft und der Einsatz von Kunstdüngern, Pestiziden und Herbiziden gehören zu den Verursachern dieses Zustandes. Der Schachtelhalm übernimmt möglicherweise eine heilende Aufgabe für den malträtierten Boden.
Inhaltsstoffe Ackerschachtelhalm
Der hohe Anteil an Kieselsäure (Sauerstoffsäuren des Siliciums, Siliziumdioxid) stärkt und schützt das Bindegewebe und regt den Hautstoffwechsel an. Haare, Fingernägel, Haut, Sehnen, Bänder Knochen und Knorpel werden gestärkt. Bei rheumatischen Erkrankungen spielt die antidyskratische (Körpersäfte ausgleichend) Wirkung und die Förderung der Harnauscheidung unter Senkung des Harnsäurespiegels ohne Änderung des Elektrolythaushaltes eine wichtige Rolle. Zudem wirkt der Schachtelhalm krampflösend (spasmolytisch). Der Schachtelhalm wird wegen seiner wundheilenden Wirkung in Salben oder Naturkosmetika verwendet.
Der Schachtelhalm wird seit der Antike angewendet. Dioskurides (griechischer Arzt im 1. Jahrhundert) empfiehlt ihn zum Harnaustreiben, bei Husten und Gebärmutterblutungen. Einsatz fand er auch bei der Wundheilung und bei Blutungen. Schon das Halten des Schachtelhalms sollte die Blutung stoppen.
Sebastian Kneipp verwendete ihn bei Harnbeschwerden, Blutungen, Bluterbrechen, Husten und Bronchial- und Lungenleiden. Er empfahl jeden Tag eine Tasse Ackerschachtelhalmtee zu trinken, um die Gefäße geschmeidig zu halten und Gedächtnisschwund vorzubeugen.
Der Ackerschachtelhalm kann als Gemüse, roh im Salat oder Smoothie verwendet werden. Durch den hohen Kieselsäureanteil kann es beim Kauen zwischen den Zähnen knirschen.
Anwendung Innerlich:
Äußerlich:
Anwendung bei emotionalen und geistigen Aspekten:
„Im Schachtelhalm sind diejenigen Kräfte verkörpert, die für eine klare Gliederung und Strukturierung des Denkens und der Formbildeprozesse erforderlich sind. Demzufolge ist Schachtelhalm bei all jenen Zuständen angezeigt, in denen die Fähigkeit zur Struktur- oder Formbildung geschwächt ist. Dies äußert sich z.B. in unklarem Denken oder einem Mangel an Ordnungssinn und Organisationstalent. Der Mangel kann sich ebenso im Gegenteil äußern, in der Abhängigkeit von starren Strukturen, Normen und Ordnungen.
Hervorzuheben ist auch die stärkende Wirkung des Schachtelhalms auf das Bindegewebe und das Skelett (insbesondere der Wirbelsäule), also auf diejenigen Organe, die unseren Körper strukturieren“ schreibt Roger Kaltermatten in seinem Buch „Wesen und Signatur der Heilpflanzen, AT Verlag)
Gegenanzeigen:
Neben- und Wechselwirkungen sind keine bekannt.
Tee-Rezepte:
Die äußerlichen Anwendungen erfolgen als Tee, Tinktur oder Salbe.
Der Sumpfschachtelhalm ist laut aktuellem Wissensstand für den Menschen möglicherweise giftig. Diese Annahme gilt heute als umstritten. Vergiftungserscheinungen wurden bisher nur bei Tieren beschrieben, die den Sumpfschachtelhalm roh essen. Für die Vergiftung ist vermutlich der Inhaltsstoff Thiaminase verantwortlich, der das Vitamin B1 abbaut und damit einen Vitamin-B1-Mangel verursachen kann.
Thiaminase ist hitzeinstabil und wird auch bei Ansätzen in Alkohol (Tinkturen) zerstört. Somit ist Thaminase in heißen Zubereitungen kaum noch vorhanden, sodass jeder Schachtelhalm verwendet werden kann.
In der Türkei gibt es volksheilkundliche Anwendungen des Sumpfschachtelhalms bei Magengeschwüren, Hämorrhoiden und Nieren-Blasen-Beschwerden.
Unterscheidungsmerkmale:
Ist das erste Glied des Seitenastes länger oder gleich lang wie die zugehörige Blattscheide, so ist es der Ackerschachtelhalm. Beim Sumpfschachtelhalm ist das erste Glied des Seitenastes deutlich kürzer als die zugehörige Blattscheide (siehe Bestimmungs-Bilder).
Der Ackerschachtelhalm hat meistens mehr als acht Seitenäste.
Der Sumpfschachtelhalm wächst meistens in Feucht- oder Sumpfgebieten.
Kommentare (2)
Renate Blaes
Denn in der Tat gibt es massenweise Beschreibungen über die Unterschiede, aber keine vergleichenden Bilder. U. a. gibt es im "Gartenjournal" eine langatmige Beschreibung der Unterschiede, aber nicht ein einziges Foto. So etwas ist mir absolut unverständlich!
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hachi
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